Die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen hat ein Positionspapier zur Innenstadt-Entwicklung erarbeitet, das der Öffentlichkeit zur Diskussion vorgelegt werden soll.
Neugestaltung Kurt-Schumacher-Platz
Anregender Verwaltungsvorschlag
Die Verwaltung hat dem Rat der Stadt am 5. Mai 2021 einen Vorschlag zur Neugestaltung der Innenstadt rund um den Kurt-Schumacher-Platz und das Hertie-/Karstadt-Areal vorgestellt.
(Zum Vorschlag s. Animationsvideo).
Dieser Vorschlag ist anregend und verdient eine konstruktive Diskussion. Die Planung muss allerdings in ein langfristig und an Nachhaltigkeit orientiertes integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK), für die gesamte Stadt Gronau und ihren Einzugsbereich passen.
(Zu ISEK s. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), 2016: Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte in der Städtebauförderung. Eine Arbeitshilfe für Kommunen, Berlin)
Ziel: Belebung der Innenstadt
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt die Zielsetzung der neuen Kurti/Hertie-Planung: die Belebung der Innenstadt.
Für die Konzeptentwickler hat die Aufenthaltsqualität, die Identitätsstiftung und die Frage, welche Angebote Menschen in die Innenstadt locken, besondere Bedeutung.
Zwei-Achsen-Modell
Das vorgeschlagene Modell sieht zwei Achsen vor, in Ost-West-Ausdehnung die Neustraße während eine Nord-Süd-Achse den Inselpark über den verkleinerten Kurt-Schumacher-Platz und den Schlossplatz genannten Parkplatz mit dem Stadtpark verbindet, in Richtung Epe, ein „Brückenschlag ins Grüne“.
Orientierung am Stil der Industriearchitektur
Wir begrüßen die stilistische Orientierung des Vorschlags an der Gronau prägenden historischen Industriearchitektur sowie das richtungsweisende Konzept der „Sechs Säulen“.
(Zu ISEK s. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), 2016: Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte in der Städtebauförderung. Eine Arbeitshilfe für Kommunen, Berlin)
Konzept der sechs Säulen

Räume für Ladengeschäfte sind in Gronau vorhanden – hier das Ladenlokal des ehemaligen Café Grenzenlos.
Lebendige Innenstädte sind (1) Orte des Handels und der Versorgung, (2) Arbeitsorte, (3) Ort der Muße und Kultur, (4) Wohnorte, (5) Orte der Teilhabe und Willensbildung und (6) „Gateway“ zu anderen Plätzen, Städten, sowie in die Region.
Es geht also nicht allein um die Schaffung von Verkaufsraum!
Ausrichtung am künftigen Bedarf
Wenn die Wiederbelebung der Gronauer Innenstadt, getragen von den sechs Säulen, wirtschaftlich, ökologisch, sozial, und kulturell nachhaltig gelingen soll, dann müssen die geplanten Bauten und die erforderlichen Investitionen sich am künftigen Bedarf der Bewohner und des Einzugsbereichs des Mittelzentrums Gronau in der Euregio orientieren.
Berücksichtigung des (eu-)regionalen Umfelds
Gronau ist unmittelbarer Nachbar der Universitäts- und Großstadt Enschede, ein Technologiestandort von wachsender Bedeutung. Beide Städte wachsen. Welche Zukunft sieht die Stadt Gronau für sich in diesem dynamischen Umfeld?
Und welche Innenstadt passt dazu, mit welchen Neubauten, die doch für viele Jahre Bestand haben sollen?
Innenstadtentwicklung
Noch kein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept
Leider hat Gronau, anders als die meisten anderen Kommunen, bisher kein umfassendes integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK), und schon gar kein Entwicklungskonzept, das explizit an Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.
(Viele Beispiele für solche ökologisch ausgerichteten Entwicklungskonzepte liefert das ICLEI-Netzwerk (Local Governments for Sustainability)).
Aber immerhin gibt es das „Integrierte Handlungskonzept“ von 2014, erarbeitet durch das anerkannte Büro Acocella. Dieses Konzept fokussiert auf die Gronauer Innenstadt, schaut aber kaum auf den weiteren Kontext in der Stadt (Epe) und ihrem Umfeld (Enschede, Münster, …).
Zudem hat sich seit 2014 in Handel und Demographie viel verändert, in Gronau und anderswo. Bekannte Stichworte sind Online-Handel, Digitalisierung, Pandemie.
Aktualisierung des Gutachtens nötig
Das Acocella-Gutachten muss darum mit Blick auf die Nutzungsmöglichkeiten der neuen Innenstadt umgehend aktualisiert werden. Das kann schnell erfolgen, auch weil neuere Daten zur den Perspektiven des Einzelhandels vorliegen und sofort eingearbeitet werden können (siehe nächster Punkt: GMA Gutachten).
Einzelhandelskonzept/ GMA-Gutachten
Der Rat der Stadt diskutiert derzeit das 2020 fortgeschriebene „Einzelhandelskonzept“ (durchgeführt von GMA), dass neuere Entwicklungen in Handel und Demographie aufnimmt (Pandemieeffekte bisher allerdings nur zum Teil).
Insgesamt wird eine Reduktion und Konzentration der Einzelhandelswirtschaftsfläche vorgeschlagen. Wir begrüßen, dass das Gutachten damit dem neueren Erkenntnisstand in der Stadtentwicklungsplanung folgt.
Zu klärende Fragen
Wie verhalten sich die möglichen Nutzungen der neuen Innenstadt dazu? Das avisierte Ärztehaus kann die Säulen 1 (Versorgung) und 2 (Arbeit) stärken.
Welche weiteren Nutzungen und vor allem welche Einzelhändler sind attraktiv für Besucher und steigern die Besucherfrequenz?
In der Ratssitzung am 5. Mai 2021 wurden Hinweise auf möglicherweise interessierte lokale und überregionale Händler gegeben, doch eine überzeugende Nutzungsmischung, die dem Prinzip der sechs Säulen folgt, ist noch nicht erkennbar.
Erweiterte Angebote nötig – Vorschläge
Orte des Handels und der Versorgung (Säule 1) sind erst dann attraktiv, wenn sie eng verwoben mit Angeboten der anderen fünf Säulen genutzt werden können (Arbeit; Kultur; Wohnen; Teilhabe; Gateway). Zu solchen erweiterten Angeboten wurden in der Ratssitzung am 5. Mai 2021 nur vorläufige Optionen angedeutet.
Wir wollen, dass bereits in der Planung auch Nutzungen wie „Shared Workspaces“ für Start-up-Unternehmen mitgedacht werden.
Auch ein Studienzentrum für/mit Studenten der Universitaet Twente und der Saxion-Hochschule in Enschede sind wünschenswert, um junge kreative Menschen in die Region und nach Gronau zu holen und hier zu halten.
Studentenapartments können direkt mit solch einem Zentrum gekoppelt werden.
Neubauten klimaneutral und flexibel
Die Neubauten im Industriestil müssen klimaneutral ausgeführt werden, Dachbegrünungen reichen nicht aus. Mit nachhaltigen Bauweisen wird mittlerweile an vielen Orten experimentiert, warum nicht auch in Gronau?
(Einen guten Überblick gibt die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB).
Die im Verwaltungsvorschlag vorgesehene große Flexibilität der Raumeinteilung der Neubauten begrüßen wir, vor allem wenn es dabei nicht allein um Ladengrößen geht, sondern auch Wohnnutzungen flexibel möglich sind (vom Studentenapartment bis zur Mehr-Generationen-Wohngemeinschaft).
Öffentlicher Diskurs erforderlich
Um diese drängenden Fragen zu klären, brauchen wir nicht allein eine „politische Begleitgruppe“ (ein sinnvoller Vorschlag der Verwaltung) sondern umgehend auch einen professionell moderierten öffentlichen Diskurs zur Füllung und Detailgestaltung der neuen Innenstadt, mit Blick auf ein künftiges Integriertes Gesamtkonzept (ISEK) der Stadtentwicklung Gronaus.
An diesem Diskurs müssen Bürgergruppen, Einzelhandel, externe Fachleute und Verwaltung teilnehmen. Beispiele und Erfahrungen aus anderen Städten sollten dabei berücksichtigt werden.
(Spannend sind z.B. die Planungen und Investitionen rund um das Centrumkwadraat in Enschede. Viel zu lernen gibt es auch von der Workshop-Serie der deutsch-niederländischen Ems-Dollart-Region, in der neun Städte in den vergangen Monaten zusammengearbeitet haben, um die Attraktivität ihrer Innenstädte zu analysieren. Auch Gronauer Stadträte haben daran teilnehmen können.)
Solche Verfahren wurden und werden in anderen Kommunen seit Jahren erfolgreich eingesetzt und sind mittlerweile Standard.
(Beispiel: Der Planungs- und Beteiligungsprozess in Rheda-Wiedenbrück 2020. Lernen können wir auch von U_CODE, einer neuen Beteiligungsplattform für Bürger, Stadtplaner und Architekten. U_CODE wird aktuellen z.B. vom Stadtplanungsamt Dresden eingesetzt.)
Die „Politik“, der Rat der Stadt, muss die Ergebnisse dieses Diskurses zur Grundlage weiterer Richtungsentscheidungen machen.
Projekt-Trägerschaft klären
Daneben verdient die Trägerschaft des neuen Kurti/Hertie-Projekts besondere Aufmerksamkeit. Sie soll in der Entwicklungsphase und im späteren Betrieb allein in den Händen der Stadt und ihrer Gesellschaften (SWG?) liegen.
Denn private Investoren und Projektentwickler halten das Vorhaben angesichts der sich rasant verändernden Rahmenbedingungen künftiger Stadtentwicklung offensichtlich für zu riskant.
Noch keine Lösungen erkennbar
Normalerweise vermeiden es Kommunen, Projekte dieser Größenordnung ohne private Investoren und Projektentwickler zu betreiben. Lässt sich die Stadt hier auf ein Abenteuer ein? Wie könnte ein nachhaltiges Geschäftsmodell in städtischer Trägerschaft aussehen?
Die in der Ratssitzung am 5. Mai 2021 (nichtöffentlich) vorgetragenen Überlegungen und Gutachten rund um die Rollen der SWG und der WGG lassen noch keine überzeugenden Lösungen erkennen: Wie sehr sollen/dürfen sich die SWG engagieren?
Anträge der Fraktion
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt vor bzw. beantragt:
- Umgehende Aktualisierung des „Integrierten Handlungskonzepts“ von 2014 (Acocella-Gutachten), unter Einbeziehung der Daten des aktualisierten GMA-Gutachtens zur Entwicklung des Einzelhandels (kann bis September 2021 erfolgen) sowie Beachtung der Klimaneutralität.
- Umgehende Initiierung eines professionell moderierten öffentlichen Diskurs zur Füllung und Detailgestaltung der neuen Innenstadt, mit Blick auf ein künftiges Integriertes Gesamtkonzept (ISEK) der Stadtentwicklung Gronaus (sollte im Herbst 2021 stattfinden).
- Weitere kritische Prüfung (Gutachten-gestützt) der Möglichkeiten, Risiken und Grenzen städtischer Trägerschaft des geplanten Innenstadt-Projekts.
Gronau, 30. Mai 2021.
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