„Gronau braucht Investitionen in Bildung und nachhaltige Infrastruktur, trotz staatlicher Aufgabenüberlastung der Stadt! Das Sparpotenzial im Haushalt 2024 bleibt begrenzt, die Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuern ist aber problematisch. Besser: ab 2025 die Grundsteuer C gegen Grundstücksspekulation einführen! Überhaupt: Die Stadt braucht eine entschiedene, nachhaltig und sozial orientierte Entwicklungsstrategie und muss sie den Bürger:innen gut erklären.“

In der Ratssitzung vom Dezember 2023 hat der Bürgermeister den Haushalt 2024 der Stadt Gronau vorgestellt, ein Budgetentwurf, der es in sich hat. Der Entwurf prognostiziert einen Verlust von etwa 15 Millionen Euro (siehe Tabelle), der allein durch Rückgriff auf die sogenannte Ausgleichsrücklage der Stadt eine Unterdeckung vermeidet. Diese Rücklage wird 2026 aber aufgebraucht sein. Gründe für das negative Ergebnis und die schwierigen Aussichten sind vor allem gestiegene Personalkosten und die stetig anwachsenden staatlich vorgeschriebenen Transferaufwendungen der Kommunen.

Trotz dieser Belastungen verfolgt die Stadt Gronau seit einigen Jahren ein umfangreiches Investitionsprogramm. Nach Ansicht der Fraktion Bündnis90/Die Grünen sind ambitionierte, nachhaltig ausgerichtete Zukunftsinvestitionen tatsächlich dringend erforderlich. Doch leider erklären der Bürgermeister und die Verwaltungsspitze das Zukunftspotential der investiven Maßnahmen den Bürgern nicht überzeugend und werben nicht dafür, weder im Haushaltsentwurf noch sonst.

Der Bürgermeister präsentierte den Haushaltsentwurf (wie überhaupt seine Politik) nicht als schlüssige Vision einer nachhaltigen Zukunft Gronaus und Strategie der Investitionen in Bildung und nachhaltige Infrastruktur, sondern nur irgendwie hilflos. "Ideenlosigkeit pur in Form eines Offenbarungseides", so kommentierten das die Westfälischen Nachrichten (WN 23.12.2023). Das ist ein willkommenes Fressen für die Wählergemeinschaften im Rat der Stadt, die gerne „volksnah“ die „Unfähigkeit“ der Stadtverwaltung geißeln, aber wenig eigene Ideen für die Entwicklung der Stadt einbringen. Darum ist es ironisch genug, dass ausgerechnet die Fraktion Bündnis90/Die Grünen für wichtige städtische Investitionen als Teil einer positiven Entwicklungsstrategie werben muss, in einer Stadt, die von einem CDU-Bürgermeister geführt wird. Die grüne Fraktion orientiert sich dabei an ihrem Leitbild „Gronau, eine attraktive, offene und nachhaltige Stadt“.

Kann Gronau sich ambitionierte Investitionen in nachhaltige Entwicklung leisten? Bereits im September 2023 hatten 355 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in NRW (darunter auch der Gronauer) einen offenen Brief an Ministerpräsident Wüst geschickt, in dem sie beklagen „dass die beispiellose Anhäufung von Belastungen den Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung gefährdet. (…) Wenn Bund und Land nicht endlich ein Einsehen haben und die Kommunen so ausstatten, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können, schlittern wir 2024 ungebremst in die Handlungsunfähigkeit". Die Kommunen fordern vom Bund zu Recht, aber bisher mit geringem Erfolg, die Einhaltung des Konnexitätsprinzips: "Wer bestellt, bezahlt".

Wie viele andere Städte befindet sich Gronau in einer ähnlich verzwickten Lage, wie wir sie aktuell bei Bundesländern, Bund und EU erleben: die drängenden, großen gesellschaftlichen Transformationen infolge des Klimawandels und der globalen Verschiebungen der Wirtschafts- und Sicherheitsstrukturen verlangen beherztes Investieren in neue, nachhaltige Formen des Wirtschaftens, der Infrastrukturen, des Wohnens und der sozialen Gerechtigkeit. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck hat dies in seiner Ansprache zum Jahreswechsel nachdrücklich unterstrichen. Die erforderlichen Transformationen verlangen Kreativität und Investitionen – international, national und vor allem lokal, also auch in Gronau!

Die Kosten sollen nach dem Vorschlag der Stadtverwaltung „in Teilen durch höhere Steuererträge abgefedert werden. (…) Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes verhindert werden.“ Denn § 76 der Gemeindeordnung des Landes NRW verlangt, dass, wenn ein kommunaler Haushalt nicht ausgeglichen werden kann, ein Haushaltssicherungskonzept erforderlich ist, in dem die Stadt nachweist, wie sie künftig eine rechtskonforme Ausgabendeckung erreichen will. Mit anderen Worten, die Stadtfinanzen würden künftig staatlich überwacht und gesteuert.

Um so eine Haushaltssicherung zu vermeiden, fordert die Verwaltung also eine kräftige Steuererhöhung. Der Rat der Stadt soll 2024 die Hebesätze der Grundsteuern A und B verdoppeln und den Hebesatz der Gewerbesteuer um 50 Prozentpunkte erhöhen. Damit liegt Gronau künftig im Vergleich mit Nachbarkommunen im vorderen Bereich (bisher im unteren Mittelfeld). Hierbei ist zu bedenken, dass die erhöhten Grundsteuern von vielen Grund- und Hausbesitzern sowie ihren Mietern, aber ein großer Teil der Gewerbesteuer nur von wenigen steuerpflichtigen Unternehmen aufgebracht wird. Für manche Unternehmen und für viele Mieter sind diese Erhöhungen problematisch!

Künftig muss die Stadt ihre Finanzquellen noch breiter verteilen als bisher, um sich unabhängiger von Steuerzahlungen großer Unternehmen zu machen. Das kann gelingen – und dafür setzt sich die Fraktion Bündnis90/Die Grünen ein –, wenn Standort und Stadt Gronau noch attraktiver für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen und arbeitssuchende Menschen werden.

Außerdem fordern wir die Einführung der neuen Grundsteuer C , zur Verhinderung von Grundstücksspekulation und zur Förderung von Wohnungsbau! Die Grundsteuerreform macht das ab 2025 möglich (siehe Kasten zur Grundsteuer C).

Kurzum, wir vertreten die Position, dass kommunale Investitionen in Bildung und attraktive Infrastruktur in Gronau und Epe unverzichtbar sind! Das hilft auch die Stadt künftig finanziell stabil zu halten.

Welche Aufwendungen sind für 2024 bisher vorgesehen?

Wie die Grafik des Budgetentwurfs der Verwaltung zeigt, entstehen die größten Kosten beim Transfer staatlicher Leistungen (46,6%: Sozialleistungen, Zuschüsse an Kitas, Kreisumlage, Solidarhilfen) statt, also bei dem breiten Spektrum von Verpflichtungen, die Bund, Land und Kreis festlegen. Auch die wachsenden Aufwendungen für das Personal der Verwaltung lassen sich kaum beeinflussen (26%: man denke an den letzten Tarifabschluss des TVöD). Traurig genug, nur der notorische Fachkräftemangel sorgt für – unfreiwillige – Einsparungen: „Für das Jahr 2024 kann davon ausgegangen werden, dass stetig eine Anzahl von 15 VZÄ nicht besetzt werden können und die Personalkosten so eingespart werden können“. Weitere Kostenminderungen wären nur möglich, wenn auch Sach- und Dienstleistungen der Verwaltung (18%) reduziert würden. Dem stehen aber weiter wachsende staatlich festgelegte Pflichtaufgaben und Projektaufträge (v.a. durch den Rat entgegen).

Bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen sind unter anderem 4.4 Mio Euro Zuschüsse an verbundene öffentliche Unternehmen der Stadt zu nennen (“Konzern Stadt Gronau“): Chance gGmbH; rock n‘ popmuseum GmbH; Kulturbüro GmbH; Wirtschaftsförderungs-gesellschaft der Stadt Gronau mbH; Wohnbau- und Grundstücks-gesellschaft mbH & Co.KG. Diese städtischen Unternehmen erbringen täglich wichtige Leistungen für die Menschen in Gronau. Drastische Kürzungen der Zuschüsse würden einen Verlust von Lebensqualität und wirtschaftlicher Attraktivität Gronaus zur Folge haben. Lediglich die Stadtwerke benötigen keine Zuschüsse, ihre Gewinne müssen aber künftig für energie- und klimapolitisch wichtige Investitionen in veränderte bzw. neue Märkte vorgehalten werden; die Stadtwerke Gronau tragen entscheidend zur nachhaltigen Entwicklung bei, sind aber nicht länger eine Cash Cow der Stadt.

Zu weiteren Aufwendungen gehören die Zahlung von Zinsen für Investitionskredite (2024: 7.1 Mio €). Angesichts des ambitionierten Investitionsverhaltens der Stadt werden die Zinsverpflichtungen künftig kaum abnehmen. 

Welche investiven Maßnahmen sind für 2024 vorgesehen?

Die Stadt Gronau investiert seit einiger Zeit in die Erneuerung und den Ausbau wichtiger Bildungs- und  Infrastruktur-einrichtungen (siehe Grafik). Wir begrüßen und unterstützen das! Diese Investitionen sollen die Attraktivität und Nachhaltigkeit der Stadt für heutige und künftige Bewohner:innen und Unternehmen erhalten und steigern. Es ist aber auch vorgesehen – und unumgänglich -, dass die ungewöhnlich ambitionierten Investitionen nach 2026, wenn wichtige Vorhaben abgeschlossen sind, deutlich abnehmen (siehe Grafik). Zu den wichtigsten investiven Maßnahmen im Haushalt 2024 gehören (hier nur Investitionen von über 1 Mio Euro jährlich, die größten zuerst):  Historisches Rathaus Bahnhofstraße (8.3 Mio in 2024, Gesamtkosten 30 Mio; siehe Kasten), Erwerb von unbebauten Grundstücken (6.0 Mio), Fridtjof-Nansen-Realschule (5.4 Mio), WvS-Gymnasium (5.0 Mio), Attraktivierung der Innenstadt (4.3 Mio), Sporthalle Gasstraße (4.0 Mio), OGS Martin-Luther-Schule (3.5 Mio), Grundschule Stadtwesten (3.4 Mio), Einsatzfahrzeuge (2.4 Mio), Dreiländersee (2.3 Mio), Kindergarten Luise (1.5 Mio), Bernhard-Overberg-Schule (1.5 Mio), Sporthalle Wittekindshof (1.35 Mio), Gewässerbau Alstätter Str. (1.25 Mio), Ergänzung und Ausbau der IT-Ausstattung in Schulen (1.0 Mio), Ochtruper Str. (1.0 Mio), Neuerschließung Markenfort (1.0 Mio), Eschweg - Fahrradstraße (1.0 Mio).

 

Brauchen wir den Neubau des historischen Rathaus an der Bahnhofstraße?

Bündnis90/Die Grünen sagen ja! Nach den bisherigen, weit fortgeschrittenen Planungen wird das im 2. Weltkrieg zerstörte Rathaus an der Bahnhofstraße ein beeindruckendes Gebäude (Fertigstellung 2026). Es ist aber auch anspruchsvoll in der Ausführung. Der Bau kann durchaus ein wichtiges, positives Aushängeschild Richtung Westmünsterland und Twente und ein Identifikationsobjekt für die Menschen in Gronau werden. Dann (nur dann!) sind die hohen Kosten gerechtfertigt, als Investition in Attraktivität der Stadt.

Soll die Stadt Gronau auf das geplante Gesundheitszentrum am Kurt-Schumacher- Platz verzichten?

Im Mai 2023 hat der Rat mit Zustimmung von Bündnis90/Die Grünen mehrheitlich die Gründung einer „Quartiersentwicklungs- gesellschaft Innenstadt Gronau (QEG)“ beschlossen. Die QEG wird am Kurti ein Gesundheitszentrum zur Stärkung der ärztlichen Versorgung in der Gronauer Innenstadt errichten. Wählergemeinschaften im Rat halten diese Investition (2024-27) für überflüssig und hoffen auf privatwirtschaftliche Lösungen. Wir sind anderer Ansicht. Auch mit der QEG investiert die Kommune strategisch in die Attraktivität Gronaus, aus drei wichtigen Gründen:

  • Das Gesundheitszentrum, wie auch ein neuer Gastro-Bau und die Tiefgarage (Projekt der Stadtwerke), sind Bausteine und sichtbares Signal der städtebaulichen Erneuerung am Kurti. Nachdem privatwirtschaftliche Investitionspläne gescheitert sind, brauchen wir endlich diesen Impuls durch öffentliche Träger, auch um künftig wieder private Investoren zu ermuntern.
  • Die Verwaltung selbst hat aktuell zu wenig eigene Arbeitskapazitäten, um die Errichtung des Gesundheitszentrums zügig zu betreiben.
  • Darum wird die QEG als städtische Gesellschaft mit ihren Gremien diese Aufgabe übernehmen, und sie wird den Ratsfraktionen weitestmöglich Mitsprache ermöglichen.

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen unterstützt diese Vorhaben, jedenfalls im Grundsatz. Dazu gehört auch die 2023 gegründete städtische „Quartiersentwicklungsgesellschaft Innenstadt Gronau (QEG)“, im Haushaltsentwurf 2024 noch ohne eigenen Budgetansatz. Die QEG wird ein Gesundheitszentrum am Kurti errichten. Ein Stopp oder Abbruch wäre fatal für die Entwicklung der Stadt.

Gibt es nennenswerte Einsparpotenziale?

Der Städte- und Gemeindebund NRW und die 355 Bürgermeister fordern in ihrem Brief u.a. „die Wiederherstellung einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung durch deutliche Erhöhung des Verbundsatzes im Gemeindefinanzierungsgesetz“. Solange dieses Problem aber nicht gelöst ist und staatliche Transferleistungen, große Teile der Personalkaufwendungen und der Sachleistungen der Stadt mehr oder weniger festliegen, könnte der Rat der Stadt Gronau nennenswerte Entlastung des Haushalts nur durch deutliche Schnitte im Investitionshaushalt erzielen.

Einige Fraktionen im Rat fordern kräftige Einschnitte bei den Investitionen, doch damit gefährden sie künftige Bildungsangebote und eine nachhaltige Infrastruktur der Stadt! Investitionsverweigerung scheint volksnah, ist aber populistisch. Sie führt zu Stillstand, Verlust von Attraktivität, nachhaltiger Wirtschaftskraft und letztlich künftigem Steueraufkommen der Stadt!

Doch es gibt Haushaltsposten, auf die man verzichten kann. Überflüssig ist nach Ansicht der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zum Beispiel die geplante Ortsumgehung Epe, allerdings ist der Finanzierungsanteil der Stadt Gronau an dem Projekt gering, und damit auch das Einsparpotenzial. Der Entwurf enthält eine ganze Reihe „kleinerer“ Ausgaben (vor allem „freiwillige“ Leistungen der Stadt, u.a. für Soziales und Kultur), über deren Kürzung nachzudenken ist, so schmerzlich das im Einzelfall sein kann. Es gibt Raum für kreative Lösungen, zum Beispiel:

  • Kann die Chance gGmbH noch mehr tun, um Flüchtlinge, die in Gronau Bürgergeld und andere staatliche Leistungen beziehen, schneller in bezahlte Arbeit zu bringen?
  • Kann das rock n‘ popmuseum, eine hippe, international beachtete Kultureinrichtung, auf die Gronau stolz sein darf, durch zusätzliche öffentliche Einrichtungen mitgetragen werden (z.B. Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit seinen LWL-Museen) und so das Stadtsäckel weniger belasten?

Wir werden in den fachlich zuständigen städtischen Gremien solche Möglichkeiten konstruktiv diskutieren und sinnvolle Beschlüsse mittragen – dies kann helfen die Steuererhöhungen abzumildern, völlig überflüssig werden sie dadurch aber nicht. Die Grundsteuer C kann ab 2025 sogar neue Einkünfte erzeugen.

Was können wir tun?

In einem Kommentar der WN 23 Dez. 2023 wendet sich der Autor gegen Argumentationen in schwarz/weiß und wünscht sich „Auffassungen in ganz vielen Farbschattierungen, die zu einem durchdachten Meinungsbild führen, das konsensfähig ist und Zukunftschance bietet“. Genau so sieht es auch die Fraktion Bündnis90/Die Grünen.

Das Wichtigste: die laufenden und geplanten Investitionen in Bildung und nachhaltige Infrastruktur der Stadt können die erwünschte positive Wirkung für Bürger:innen und Wirtschaft nur dann voll entfalten, wenn sie mit Augenmaß und Verstand erfolgen. Wir erwarten von der Verwaltungsspitze, vor allem vom Bürgermeister, dass sie die Entwicklungsstrategie für ein nachhaltiges Gronau deutlich macht und überzeugend erklärt. Hierzu gehört es Prioritäten zu setzen und diese gut zu begründen. Die Fraktionen des Rates der Stadt haben die entscheidende Aufgabe, die Verwaltung bei der Realisierung angestoßenen Zukunftsprojekte kritisch und konstruktiv zu begleiten, ein oft mühevoller Prozess. Investitionen einfach abzulehnen, wie manche Ratsfraktionen es tun, ist kurzsichtig und unverantwortlich!

Keine Fraktion hat zur Zeit eine Mehrheit im Rat der Stadt Gronau. Zusammenarbeit ist das Gebot der Stunde. Die Fraktionen müssen raus aus den Schützengräben und sich bewegen! In einer Stellungnahme sieht sogar die CDU-Fraktion des Bürgermeisters das ein: „Wir haben keine Ratsmehrheit. Es sind alle Parteien und Wählergemeinschaften zusammen gefragt“ (WN 20. Dez. 2023). Wenn Zusammenarbeit Teil einer entschiedenen, nachhaltig und sozial orientierten Entwicklungsstrategie ist, dann sind wir dabei!

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